DER VORABEND DES ERSTEN WELTKRIEGS

Der Vorabend der Urkatastrophe des letzten Jahrhunderts kann kurz und bündig folgendermassen zusammengefasst werden: es gab ein Attentat in Sarajevo, welches Österreich in Aufruhr versetzte, dann versagten Diplomaten und Machthaber während eines Monats und darauf wurden Kriege im Minutentakt erklärt. Das reicht. Wem dies in so geraffter Form genügt, dem wird geraten weit, weit unten auf dieser Seite seine Lektüre fortzusetzten. Die Fakten und Gedankengänge der unterschiedlichen Entscheidträger sind aber spätestens seit 2014 wieder in den Fokus der Historiker gerückt und es ist angebracht, hier den Verlauf dieses schicksalsbeladenen Monats im Sommer 1914 vertieft zu behandeln. Auf diesen Ereignissen basierte letztlich die Schuldfrage am Krieg, verbunden mit allen Restriktionen und Reparationszahlungen.

Aber nochmals zur Einordnung: Wer sich ausschliesslich für den Verlauf des Gebirgskriegs interessiert, kann getrost auf die entsprechende Seite wechseln. Für alle, sich aber für Ursachen des Weltkrieges fundiert orientieren möchte, habe ich die nachfolgenden Inhalte zum Attentat von Sarajevo, zur Julikrise und zum Zusammenfall des europäischen Kartenhauses bereitgestellt.

 

 

INHALTSÜBERSICHT DIESER SEITE

 

DAS ATTENTAT VON SARAJEVO

Von der Planung der Inspektionsreise über bekannte Risiken und Warnungen zu den zwei Anschlägen und den Prozessen gegen die Attentäter bis zur lokalen Rezeption.

 

DIE JULIKRISE

Über die „Mission Hoyos“ und den „Blankoscheck“, die Sommerferien der „Mächtigen“ und sowie die Einschätzung der Ereignisse durch die Grossmächte.

 

DAS KARTENHAUS ZERFÄLLT

Die Chronologie der Kriegserklärungen

 

DAS ATTENTAT VON SARAJEVO AM 28. JUNI 1914 – „DER FUNKE IM PULVERFASS“

Zeitliche Festlegung des Besuchs

Der Erzherzog Franz Ferdinand begab sich von einem Treffen mit dem deutschen Kaiser Wilhelm II. auf seinem Landsitz Schloss Konopischt in Beneschau (Böhmen) nach Sarajevo, um dem Abschluss der Manöver des k.u.k. XV. und XVI. Korps in Bosnien beizuwohnen. Der Besuch wurde auf Bitte des k.u.k. Statthalters von Bosnien-Herzegowina, Feldzeugmeister Oskar Potiorek, auf den 28. Juni festgelegt.

Die Attentäter planten den Anschlag allerdings schon seit März 1914, weil Zeitungen den Besuch Franz Ferdinands ohne genaue Datumsnennung ankündigten. Den Attentätern war es vor allem wichtig, bei dem Besuch Franz Ferdinands ein Attentat auszuüben, wobei die tiefere Bedeutung des 28. Juni wohl nur ein Nebeneffekt war.

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Reiseroute Franz Ferdinand
Die Reiseroute Franz Ferdinands und Sophie von Hohenberg im Juni 1914. Abb. aus Gerbert, Frank, Endstation Sarajevo, 2014.
Armee Inspektor FZM Oskar Potiorek 1914 Pietzner
Oskar Potiorek (*  1853 in Bleiberg, Kärnten; † 1933 in Klagenfurt) war Landeschef von Bosnien und der Herzegowina und bei Beginn des Ersten Weltkriegs Oberkommandierender der Balkanstreitkräfte der Doppelmonarchie.

Warnungen

Bereits früher war es in Sarajevo zu Attentaten gekommen. Der Student Bogdan Žerajić hatte 1910 ein Attentat auf Kaiser Franz Joseph geplant, aufgrund des hohen Alters des Monarchen jedoch davon Abstand genommen. Stattdessen schoss er am 15. Juni 1910 bei der Eröffnung des bosnisch-herzegowinischen Landtags auf den bosnischen Gouverneur, General Marijan Freiherr Varešanin von Vareš, verfehlte ihn aber, woraufhin er sich mit einem Kopfschuss tötete. Žerajić wurde zum Vorbild für Princip: Dieser soll bei Žerajićs Grab feierlich geschworen haben, ihn zu rächen.

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Vorbereitungen für den Anschlag

Dragutin T. Dimitrijević, genannt Apis, Chef des serbischen militärischen Geheimdienst, war der wichtigste Kopf hinter der Verschwörung zur Ermordung Erzherzog Franz Ferdinands, aber die Idee stammt vermutlich von seinem Kameraden Rade Malobabić. Im Rahmen dieser Verschwörung rekrutierte der ehemalige Freischärler Voja Tankosić den Kern des nach Bosnien geschickten Kommandos, die drei Mitglieder der proserbischen bosnischen Jugendorganisation Mlada Bosna (Junges Bosnien): Gavrilo Princip ein 19-jähriger Gymnasiast, Nedeljko Čabrinović, ein 19-jähriger Druckergeselle, und Trifun „Trifko“ Grabež, ein 18-jähriger Schulabbrecher. Die serbische Regierung insgesamt hatte das Attentat nicht befohlen, noch war sie beteiligt. Jedoch wussten der serbische Ministerpräsident sowie mehrere Minister und Militärs von einzelnen Vorgängen der Verschwörung.

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Erster Anschlag

Das Thronfolger-Ehepaar residierte während des Besuches in Ilidža, einem Badeort etwa 12 Kilometer westlich von Sarajevo. Am 28. Juni 1914 reisten sie mit dem Zug von Ilidža bis zur Westgrenze der Stadt, wo eine Tabakfabrik stand, die ein häufiger Ausgangspunkt für Sarajevo-Besuche österreichisch-ungarischer Würdenträger war. Laut Biliński, der seine Erinnerungen auf einen Bericht des erzherzöglichen Marschalls Oberst Graf Rummerskirch an Kriegsminister Alexander Ritter von Krobatin stützt, seien die Sicherheitsvorkehrungen besonders gering gewesen, was in Kontrast zu den vergleichsweise strengen Vorkehrungen beim Besuch Franz Josephs I. in Sarajevo 1910 gestanden habe. Die Polizisten und Geheimpolizisten, die der Kolonne hätten vorausfahren sollen, seien für diesen Zweck weder mit Wagen noch Kutschen ausgestattet worden und seien daher, mit Schmucktruhen der Herzogin schwer beladen, bei der Tabakfabrik zurückgeblieben.

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Zweiter Anschlag

Entgegen den Anweisungen bog die Wagenkolonne auf Höhe der über die Miljacka führenden Lateinerbrücke aber in die ursprünglich geplante Route ein. Lojka, der nicht hinreichend über die neue Route orientiert war, legte den Rückwärtsgang ein, um zurück auf den Kai zu gelangen; dabei stand das Fahrzeug einige Sekunden still. Zu seiner grossen Überraschung sah Princip, wie der Wagen mit dem Erzherzog vor dem Café anhielt, in dem er sich aufhielt; er stand auf, eilte auf die Strasse, zog seine Pistole und schoss aus wenigen Metern Entfernung zwei Mal auf das Ziel.

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Edition Winkler Hermaden Sarajevo Lateinerbrücke 10
Die Lateinerbrücke in Sarajevo, Ort des Attentats auf einer Postkarte mit dem Hinweis auf den Standort Princips.
2014 25princip
Gavrilo Princip (* Juli 1894 in Obljaj, Vilâyet Bosnien; † April 1918 in Theresienstadt, Böhmen, Österreich-Ungarn, heute Tschechien) .Princip war Mitglied der Mlada Bosna (Junges Bosnien), eines revolutionären, nationalistischen Geheimbunds aus Schülern und Studenten, der im von Österreich-Ungarn 1908 annektierten Bosnien-Herzegowina aktiv war. In Jugoslawien und Serbien galt bzw. gilt er teilweise noch als Volksheld.

Reaktionen auf das Attentat

Der Tod des Thronfolgers löste in Österreich-Ungarn keine allgemeine Trauer aus. Der Gesandte in Bukarest und spätere Aussenminister Ottokar Graf Czernin erinnerte sich später, in Wien und Budapest habe es mehr Erfreute als Trauernde gegeben. Franz Ferdinand und seine Vertrauten, die in konservativen Wiener Kreisen vielfach als „Belvedere-Bagage“ bezeichnet wurden, hatten nicht nur dort Feinde. Seine Pläne einer trialistischen Reichsverfassung unter besonderer Berücksichtigung der Kroaten stiessen insbesondere im ungarischen Reichsteil auf kategorische Ablehnung.

Auf die politischen Reaktionen wird im Abschnitt „Die Julikrise“ eingegangen.

 

Prozess gegen die Attentäter

Čabrinović, Princip und die anderen Attentäter mit Ausnahme von Mehmedbašić wurden nach und nach festgenommen. Während der Verhöre schwiegen sie zunächst beharrlich, bis sie auf Wunsch von Princip aufgaben und alles gestanden, woraufhin auch die meisten anderen Verschwörer verhaftet wurden.

Vom 12. Oktober bis 23. Oktober 1914 fand in Sarajevo der Gerichtsprozess gegen insgesamt 25 Angeklagte wegen Hochverrates und Meuchelmordes statt. Im Prozess bestritten alle Angeklagten jede Verbindung mit dem offiziellen Serbien. Drei von ihnen wurden hingerichtet.

Nedeljko Čabrinović

Nedeljko Čabrinović gab als Grund für seine Tat an, dass Franz Ferdinand ein Feind der Slawen und besonders der Serben gewesen sei. Er sagte weiter aus, dass in Österreich-Ungarn die Deutschen und die Ungarn das Sagen hätten, während die Slawen unterdrückt würden. Da er zum Tatzeitpunkt minderjährig war, wurde er vom Gericht zu 20 Jahren schwerem Kerker in der Kleinen Festung Theresienstadt, verschärft durch einen monatlichen Fasttag und am 28. Juni eines jeden Jahres durch hartes Lager und Dunkelarrest, verurteilt und starb am 23. Januar 1916 an Tuberkulose. Franz Werfel, der Čabrinović Ende 1915 in Theresienstadt besuchte, bezeichnete den Todkranken als den „auserwählten Schicksalsmenschen“.

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Lokale Rezeption

Am 28. Juni 1917, anlässlich des dritten Jahrestages der Ermordung, liess Österreich-Ungarn am Geländer der Lateinerbrücke, die diesen Namen trägt, weil sie die kürzeste Verbindung zur römisch-katholischen Kathedrale ist, ein zwölf Meter hohes Denkmal zu Ehren Franz Ferdinands und Sophies errichten, auf welchem die Passanten um ein kurzes Gebet für die Opfer des Anschlags gebeten wurden. Das Monument bestand aus zwei Säulen, einer grossen Platte mit den Figuren des ermordeten Ehepaares sowie einer Nische für Trauerkerzen und Blumen. Ende 1918 liess das Königreich Jugoslawien das Monument abbauen und in einem Museumsdepot verstauen; der Altar des Denkmals wurde 1919 gesprengt. Während die Säulen für andere Zwecke wiederverwendet wurden, befindet sich die Platte mit den Figuren des Thronfolger-Ehepaares heute in der Kunstgalerie Bosniens und Herzegowinas. An der Anschlagsstätte stehen Reste einer Betonbank, die ein integraler Bestandteil des Monuments war. Bosnien-Herzegowina trägt sich mit dem Gedanken, das Denkmal zu erneuern.

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DIE JULIKRISE

Die Julikrise war die Zuspitzung der Konfliktlage zwischen den fünf europäischen Grossmächten sowie Serbien, die auf die Ermordung des österreichischen Thronfolgers folgte und die zum Ersten Weltkrieg führte. Bis heute werden die Motive und Handlungsweisen aller beteiligten Mächte, Politiker und Diplomaten sowohl in der Öffentlichkeit als auch unter Historikern kontrovers diskutiert. Die jeweilige Antwort auf die Kriegsschuldfrage hängt entscheidend davon ab, wie die Ereignisse während der Julikrise bewertet werden.

Das „Sarajevo-Ereignis“ bewegte Diplomaten und Regierungsmitglieder an allen europäischen Höfen. In wieweit deren formelle Regierungsoberhäupter, also die Kaiser und Könige in die Entscheidfindung eingebunden wurden ist bis heute ein Streitpunkt unter Historikern.

Erzherzog Franz Ferdinand und seine Frau Sophie wurden am 28. Juni 1914 bei einem offiziellen Besuch in der bosnischen Hauptstadt Sarajewo von dem Schüler Gavrilo Princip erschossen. Princip war Mitglied der nationalistischen Jugendbewegung Mlada Bosna. Er und seine Mitverschwörer konnten schnell gefasst werden.

In Wien wurden die Auftraggeber des Doppelmords jedoch in Belgrad vermutet:

„Es erhellt aus den Aussagen und Geständnissen der verbrecherischen Urheber des Attentates vom 28. Juni, dass der Mord von Sarajevo in Belgrad ausgeheckt wurde, dass die Mörder die Waffen und Bomben, mit denen sie ausgestattet waren, von serbischen Offizieren und Beamten erhielten, die der Narodna Odbrana angehörten, und dass schliesslich die Beförderung der Verbrecher und deren Waffen nach Bosnien von leitenden serbischen Grenzorganen veranstaltet und durchgeführt wurde.“

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Österreich-Ungarn

In Österreich-Ungarn drängten hochrangige Militärs und Politiker wie der Chef des Generalstabs, Franz Conrad von Hötzendorf, der österreichische Ministerpräsident Karl Stürgkh und Kriegsminister Alexander von Krobatin bereits seit Jahren auf ein militärisches Vorgehen gegen Serbien. Sie glaubten, nur so der grossserbischen Bewegung beikommen zu können, die auf einen Anschluss aller südslawischen Gebiete des Habsburgerreichs an Serbien abzielte. Aussenminister Leopold Berchtold, Kaiser Franz Joseph I. und vor allem der nun ermordete Thronfolger Franz Ferdinand hatten sich diesen Plänen jedoch bislang widersetzt.

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„Mission Hoyos“ und „Blankoscheck

In einer Ministerrat-Sitzung am 2. Juli 1914 in Wien konnte noch keine Einigung mit Tisza erzielt werden,  aber man beschloss, Legationsrat Alexander Graf von Hoyos, den Kabinettschef und engsten Berater von Aussenminister Berchtold, als Gesandten nach Berlin zu schicken, um zu eruieren, ob es eine deutsche Rückendeckung für ein militärisches Vorgehen gäbe.

Hoyos reiste am 5. Juli 1914 nach Berlin und hatte dort eine Unterredung mit Arthur Zimmermann, dem Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt. Hoyos drängte, der Habsburgermonarchie „bei dieser Gelegenheit freie Hand gegen Serbien“ zu geben. Nach einer Unterredung mit dem österreichisch-ungarischen Botschafter Ladislaus von Szögyény-Marich stellte Kaiser Wilhelm II. dann den berühmten „Blankoscheck“ aus, den Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg am 6. Juli bestätigte.  In einem Telegramm sicherte er Österreich-Ungarn bei einem Vorgehen gegen Serbien die volle und bedingungslose Unterstützung des Reiches zu:

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Telegramm Zur Hoyos Mission
Der „Blankoscheck“, das Telegramm des österreichisch-ungarischen Botschafters an Außenminister Berchthold über das Ergebnis der Hoyos-Mission.
Hoyos2 2
Alexander Graf von Hoyos (*  1876 in Fiume város, heute Rijeka; † 1937 in Schwertberg, Oberösterreich) war ein österreichisch-ungarischer Diplomat vor und während des Ersten Weltkrieges, der in der Julikrise eine bedeutende Rolle spielte. Insbesondere führte er die Mission Hoyos durch, deren Ergebnisse den Krieg gegen Serbien einleiteten.

Eingreifen Russlands

Die Gefahr des österreichischen Vorgehens lag in einem Eingreifen Russlands, das sich als Schutzmacht Serbiens betrachtete. Bei einem (unprovozierten) Angriff Russlands gegen Österreich-Ungarn aber musste laut Zweibund-Vertrag Deutschland dem Bündnispartner zur Hilfe kommen. Ein Krieg zwischen Russland und Deutschland wiederum bedeutete für Frankreich den Bündnisfall.
Wie sehr die österreichisch-ungarischen Verantwortlichen mit einem russischen Eingreifen rechneten, ist in der Forschung umstritten. Aussenminister Berchtold schrieb am 25. Juli jedoch in einem vertraulichen Telegramm an seinen Botschafter in St. Petersburg Friedrich von Szápáry:

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Pläne zur Aufteilung Serbiens

Darüber, was mit Serbien nach einem Militärschlag geschehen solle, bestand zum Zeitpunkt der Hoyos-Mission noch keine Einigkeit. In einem Schreiben vom 2. Juli an Kaiser Wilhelm, das Hoyos im Rahmen seiner Mission übergab, formulierte Kaiser Franz Joseph, Ziel seiner Regierung sei „die Isolierung und Verkleinerung Serbiens“. Dieser Staat sei „Angelpunkt der panslawistischen Politik“ und müsse daher „als politischer Machtfaktor am Balkan ausgeschaltet“ werden. Hoyos persönlich sprach am 5. Juli gegenüber Zimmermann von einer „völligen Aufteilung“ Serbiens, was Berchtold später nach dem Protest Tiszas als persönliche Meinung des Grafen darstellte.

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Ultimatum an Serbien

Am 14. Juli konnten sich die k.u.k. Minister mit Tisza darauf verständigen, Serbien nach einem geplanten französischen Staatsbesuch in Russland ein auf 48 Stunden befristetes Ultimatum zu stellen, dessen Forderungen so scharf sein sollten, „dass mit der Wahrscheinlichkeit einer kriegerischen Auseinandersetzung gerechnet werden muss.“ Der deutsche Verbündete wurde darüber informiert und drängte, dass das Ultimatum unannehmbar sein müsse. Auch Berchtold hatte bereits am 7. Juli 1914 den k.u.k. Gesandten in Belgrad Wladimir Giesl instruiert: „Wie immer die Serben reagieren – Sie müssen die Beziehungen abbrechen und abreisen; es muss zum Krieg kommen“.

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Deutsches Reich

Zu den umstrittensten Aspekten der Julikrise zählt seit langem die Einschätzung der Rolle der deutschen Führung.

Nach dem Attentat sind zunächst keine Aktivitäten oder Pläne dokumentiert. Am 3. Juli jedoch hatte der sächsische Militärbeauftragte Traugott Leuckart von Weissdorf ein Gespräch mit dem Oberquartiermeister im Generalstab Georg von Waldersee. Leuckart berichtete hinterher seiner Regierung, Waldersee habe gesagt, es könne von heute auf morgen zum Krieg kommen. Nach Leuckarts Einschätzung würde der Generalstab einen Krieg auch begrüssen. Allerdings zögere der Kaiser noch.

 

So wirklich war man sich im Juli 1914 der drohenden Gefahr nicht bewusst. Zumindest lassen die Feriendestinationen der Mächtigen und deren Befehlshaber diesen Schluss zu. Kaiser Wilhelm weilte auf seiner Nordlandfahrt, sein Aussenminister befand sich auf Hochzeitsreise in der Zentralschweiz. Der Generalstabsschef verbrachte einen Kuraufenthalt im heute tschechischen Karlsbad und der Befehlshaber der kaiserlichen Marine weilte in Tarasp im schweizerischen Unterengadin. Franz Josef hielt sich, wie jeden Sommer in seiner Villa in Ischl im Salzkammergut auf.

Präventivkriegspläne oder Lokalisierungsglauben?

Seit der Gründung der Triple Entente im Jahr 1907 fühlte sich Deutschland von seinen Gegnern zunehmend „eingekreist“. Vor allem der Generalstab sah eine existentielle, militärische Bedrohung und ging fest davon aus, dass die Aufrüstung von Russland und Frankreich dazu dienen sollte, ungefähr 1916 einen Krieg vom Zaun zu brechen. Zu diesem Zeitpunkt glaubte Generalstabschef Moltke aber, einen Krieg nicht mehr gewinnen zu können. Deshalb drängte er bereits seit 1908 auf einen Präventivkrieg zu einem früheren Zeitpunkt. Im so genannten Kriegsrat vom 8. Dezember 1912  diskutierte Wilhelm II. dann mit den Spitzen des Militärs, ob die durch den Ersten Balkankrieg entstandene Krise dazu genutzt werden solle, einen solchen Krieg herbeizuführen. Da der Leiter des Reichsmarineamtes Admiral Tirpitz sich aber noch nicht ausreichend gerüstet sah, nahm man von dem Plan Abstand. Der Generalstab warnte die Regierung jedoch weiter eindringlich vor der, seiner Meinung nach, immer brisanter werdenden militärischen Lage, zuletzt in einem Memorandum vom 15. Mai 1914. Zahlreiche Historiker sind der Meinung, dass das Attentat von Sarajevo vom Generalstab als „goldene Gelegenheit“ für einen Krieg begrüsst wurde.

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Die Vorbereitung des Ultimatums

Am 6. Juli trat der Kaiser seine geplante Urlaubreise nach Norwegen an. Ob man nur die Öffentlichkeit durch eine Absage nicht beunruhigen wollte, ob es sich um eine bewusste Täuschung über den Ernst der Lage handelte oder ob Bethmann Hollweg vor allem den unberechenbaren Kaiser aus dem Weg haben wollte, ist umstritten. Auch zahlreiche andere Politiker und Militärs traten ihre Urlaube an. Dafür kam Gottlieb von Jagow, der Staatssekretär im Auswärtigen Amt am 8. Juli von seiner Hochzeitsreise zurück. In der Folge übernahm das Aussenministerium die Federführung der Politik. Allerdings waren sowohl Bethmann Hollweg auf seinem Landgut in Hohenfinow wie Georg von Waldersee auf Schloss Ivenack telegraphisch erreichbar und kamen beide während der nächsten zweieinhalb Wochen mehrmals nach Berlin. Auch der Kaiser hatte auf seiner Jacht Hohenzollern eine Funkanlage und wurde – allerdings selektiv – auf dem Laufenden gehalten.

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Russland

Die russische Politik war bereits seit der Mitte des 19. Jahrhunderts von dem Bestreben geprägt, eine möglichst grosse Kontrolle über den Balkan und damit über die für den russischen Handel immens wichtigen türkischen Meerengen Bosporus und Dardanellen zu bekommen. Seit dem Ende des Zweiten Balkankrieges im August 1913 war jedoch Serbien als einziger Verbündeter auf dem Balkan geblieben.

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Frankreich

Die französische Staatsregierung scheint nach dem Attentat zunächst nicht mit gefährlichen politischen Folgen gerechnet zu haben. Ausschlaggebend war wohl die Einschätzung des erfahrenen Botschafters in London, Paul Cambon, der meinte, Österreich-Ungarn werde Serbien mit Sicherheit nicht für eine Untat verantwortlich machen, die von k.u.k. Untertanen begangen worden sei. Dies änderte sich schlagartig, als Präsident Raymond Poincaré sowie Ministerpräsident und Aussenminister René Viviani während des Staatsbesuchs in Sankt Petersburg erfuhren, dass Wien offenbar ein „scharfes“ Ultimatum plante. Poincaré erklärte daraufhin, Frankreich würde seine Bündnisverpflichtungen im Falle eines Krieges einlösen. Diese Zusage wird oft als „zweiter Blanko-Scheck“ bezeichnet.

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Grossbritannien

Grossbritannien war mit Frankreich und Russland seit 1907 in der Triple Entente verbunden. Der Vertrag enthielt jedoch keine Bündnisverpflichtungen im Kriegsfall. Allerdings hatte die Regierung mit Frankreich ein geheimes Marine-Abkommen geschlossen. Dies sah vor, dass die gesamte französische Flotte im Mittelmeer stationiert war. Im Gegenzug versprach Grossbritannien den Schutz der französischen Kanal- und Atlantikküste. Im Sommer 1914 war es ein Hauptinteresse der britischen Politik, mit Russland in gutem Einvernehmen zu bleiben, um ein Aufbrechen von Konflikten im Nahen und Mittleren Osten zu verhindern.

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Italien

Das Königreich Italien war durch den Dreibund von 1882 verpflichtet, seinen Bündnispartnern Österreich-Ungarn und Deutschland beim Angriff zweier anderer Mächte oder bei einem unprovozierten Angriff Frankreichs auf ein Mitglied beizustehen.

Berchtold unterliess es jedoch absichtlich, Italien und das 1883 dem Dreibund beigetretene Rumänien von der beabsichtigten Aktion gegen Serbien zu unterrichten, da er voraussah, dass diese ihre Zustimmung nur gegen Kompensationen geben würden. Aber bereits am 14. Juli liess der italienische Aussenminister verlauten,

„unsere ganze Politik muss darauf gerichtet sein, […] jede territoriale Vergrösserung Österreichs zu verhindern, wenn diese nicht durch eine angemessene territoriale Entschädigung Italiens ausgeglichen wird.“

Die italienische Regierung machte dann auch keinerlei Vermittlungsversuche, sondern verfolgte in erster Linie die Frage möglicher Kompensationen im Falle einer Annexion Serbiens durch Österreich-Ungarn.

 

Die Reaktionen auf das Ultimatum

Das österreichisch-ungarische Ultimatum an Serbien wurde von den Mächten der Triple-Entente als Angriff auf die Souveränität Serbiens angesehen. Der britische Aussenminister Edward Grey etwa bezeichnete es als brüsk, unvermittelt und herrisch  und erklärte gegenüber dem deutschen Botschafter Lichnowsky, es überträfe alles, was er bisher in dieser Art jemals gesehen habe. Er regte an, dass Deutschland und England sich in Wien zusammen für eine Verlängerung der Frist einsetzen sollten. Ausserdem schlug er vor, dass, falls sich gefährliche Spannungen zwischen Österreich-Ungarn und Russland ergäben, die vier nicht unmittelbar beteiligten Mächte England, Deutschland, Frankreich und Italien die Vermittlung übernehmen sollten.

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Vom österreichisch-serbischen zum grossen europäischen Krieg

Noch während der laufenden Vermittlungsbemühungen erklärte Österreich am 28. Juli Serbien den Krieg, denn Graf Berchtold wollte jedem Interventionsversuch den Boden entziehen und vollendete Tatsachen schaffen. Um die Unterschrift von Kaiser Franz Josef unter die Kriegserklärung zur erhalten, erwähnte er einen serbischen Angriff bei Temes Kubin, der aber wohl nie stattgefunden hat. Die eigentlichen Kriegshandlungen begannen vermutlich mit einer Beschiessung Belgrads am 29. Juli wenige Minuten vor ein Uhr morgens durch das DDSG Schiff “Inn” und mehrere k.u.k. Monitore.

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Die Krise in der Öffentlichkeit

In der Öffentlichkeit wurde die Krise lange Zeit nicht als solche wahrgenommen. Zwar rechnete man nach dem Attentat allgemein mit einem „Schritt“ Österreich-Ungarns gegen Serbien, vertraute aber den offiziellen Versicherungen, dass kein Eingriff in serbische Hoheitsrechte geplant sei. Als das Ultimatum bekannt wurde, hielt ein grosser Teil der deutschsprachigen Presse es für gerechtfertigt. Es gibt Hinweise, dass die deutsche Regierung hier im Vorfeld Einfluss genommen hat.

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DER DOMINOEFFEKT – DAS KARTENHAUS ZERFÄLLT

Die konsequente Umsetzung der Bündnisverpflichtungen musste unweigerlich zur Folge haben, dass Österreich-Ungarns Kriegserklärung an Serbien in Europa eine verhängnisvolle Serie an diplomatischen Noten auslöste.

Bei der Kriegserklärung handelte es sich nach klassischem Völkerrecht um eine einseitige, formlose Willenserklärung an die gegnerische Kriegspartei, die den Eintritt des Kriegszustandes ankündigt.

Eine Kriegserklärung wurde einem Staat von einem anderen vor Aufnahme der Feindseligkeiten zugestellt, wenn letzterer seine Interessen bedroht oder seine Existenz gefährdet sah und keine diplomatische Lösung in Aussicht stand. Auch durch seine Bündnisverpflichtungen konnte sich ein Staat gezwungen sehen, eine Kriegserklärung gegen einen anderen auszusprechen.

Da mit der Kriegserklärung die diplomatischen Mittel als ausgeschöpft anzusehen sind, brechen die Kontrahenten üblicherweise die diplomatischen Beziehungen mehr oder weniger abrupt ab.

23. Juli 1914

Überreichung eines auf 48 Stunden befristeten Ultimatums Österreich-Ungarns an Serbien mit der Forderung, alle gegen die Donaumonarchie gerichteten Aktionen zu unterbinden.

28. Juli 1914

Nach Ablauf des Ultimatums erklärt Österreich-Ungarn dem Königreich Serbien den Krieg.

Kaiser Franz Josef I. richtet sich mit der Proklamation „An meine Völker“ an seine Untertanen und begründet den Schritt.

30. Juli 1914

Russische Generalmobilmachung

31. Juli 1914

Generalmobilmachung in Österreich-Ungarn. Die deutsche Regierung erklärt den „Zustand drohender Kriegsgefahr“ und fordert Russland ultimativ (12 Stunden) auf, die Mobilmachung zurückzunehmen, und Frankreich (18 Stunden), im Fall eines deutsch-russischen Krieges neutral zu bleiben.

1. August 1914

Kriegserklärung des Deutschen Reichs an Russland

Allgemeine Mobilmachung in Frankreich und in der Schweiz

2. August 1914

Im Zuge der deutschen Mobilmachung Besetzung Luxemburg, um die luxemburgischen Eisenbahnen zu sichern.

Abends Überreichung eines deutschen Ultimatums an Brüssel, in der die belgische Regierung aufgefordert wird, den Durchmarsch deutscher Truppen zuzulassen.

3. August 1914

Ablehnende belgische Antwortnote. Deutscher Einmarsch in Belgien.

Nachmittags: Kriegserklärung des Deutschen Reichs an Frankreich.

Neutralitätserklärung Rumäniens

Beginn der Verminung der Dardanellen durch das Osmanische Reich

4. August 1914

Die Verletzung der belgischen Neutralität durch das Deutsche Reich gibt Grossbritannien den Anlass zum Kriegseintritt. Britisches Ultimatum und Abbruch der diplomatischen Beziehungen was einer Kriegserklärung Grossbritanniens an Deutschland gleichbedeutend ist.

Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Belgien: Kriegszustand.

Ausruf des „Burgfriedens“ durch Wilhelm II. in welchem die politischen Parteien Deutschlands auf eine gemeinsame Strategie der Kriegsbewältigung ausgerichtet werden.

5. August 1914

Kriegserklärung Montenegros an Österreich-Ungarn

6. August 1914

Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Russland

Kriegserklärung Serbiens an das Deutsche Reich

11. August 1914

 

Kriegserklärung Montenegros an das Deutsche Reich

Kriegserklärung Frankreichs an Österreich-Ungarn

Kriegserklärung Aegyptens an die Mittelmächte (Deutsches Reich / Österreich-Ungarn)

 

12. August 1914

Kriegserklärung Grossbritanniens an Österreich-Ungarn

23. August 1914

Kriegserklärung Japans an das Deutsche Reich

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